Günther Kraft
(Quelle: Altprussisch neu , Herausgeber: Arnold
Dittrich, 1994)
Lebenslauf
Geboren im Jahre 1921 in Allenstein, wuchs ich in der Heimatstadt
auf. Nie wäre mir der Gedanke gekommen, jemals auf die Dauer
in einem anderen Lande als in Ostpreußen leben zu können.
Mein Vater, ein gebürtiger Memelländer, war Beamter
beim Magistrat in Allenstein. Seine väterlichen Vorfahren
waren im Jahre 1731 aus dem Salzburger Land zugewandert, aber
schon in der nächsten Generation waren sie mit Einheimischen
versippt, so daß sich in meiner Ahnenliste auf der väterlichen
Seite mehr preußisch-litauische Namen als deutsche befinden.
Der früheste meiner Vorfahren war ein schalwischer Krieger,
der um das Jahr 1380 als sogenannter Leitsmann im Dienst des Deutschen
Ordens stand. So kann ich also mit Recht meine prußische
Abstammung betonen. Meine Mutter stammt jedoch aus einer Familie,
die ursprünglich in Mähren und im Lothringischen beheimatet
war.
1939 machte ich das Abitur an der Koppernikus-Oberschule in Allenstein.
Als Soldat war ich Pionier. Meine Einsatzgebiete waren die Ostfront
und später der Kaukasus, wo ich im Oktober 1942 schwer verwundet
wurde, so daß ich danach über zwei Jahre im Lazarett
war, in den letzten Monaten in einem Spaziallazarett in Berlin.
Ein im Krieg vom Lazarett aus begonnenes Studium der Medizin
konnte ich nach Kriegsende nicht fortsetzen. Meine Eltern hatte
es nach der Versetzung meines Vaters nach Berlin nach der Ausbombung
nach Sachsen verschlagen. Dort wurde mein Vater mit den anderen
Beamten seiner Dienststelle von der Sowjetischen Besatzungsmacht
gefangen und in das Konzentrationslager von Buchenwald gebracht,
wo er bald darauf verstarb. Ich lebte dann mit meiner Mutter in
Berlin, zuerst bei Verwandten. 1945/48 nahm ich an einer Lehrerausbildung
teil und war dann bis 1981 im Schuldienst in (West-)-Berlin. Ich
arbeitete an der Grund- und fast 30 Jahre an der Hauptschule.
1951 heiratete ich ein ostpreußisches Mädchen aus
Tilsit, das mir von früher bekannt war. Wir haben drei Kinder:
eine Tochter, Pharmazeutin, und zwei Söhne, Major der Bundeswehr
und Arzt. Von ihnen haben wir zehn gesunde Enkelkinder.
Meine erste Bekanntschaft mit der altpreußischen/prußischen
Sprache machte ich schon während meiner Schulzeit im Geschichtsunterricht,
wo uns das Elbinger Vokabular vorgestellt wurde, was mich sehr
interessierte. - Nach der Währungsreform 1948 kam ich zufällig
in den Besitz des bekannten Werkes von Ch. Hartknoch: „Altes
und Neues Preußen", in dem ein Kapitel auch der altpreußischen
Sprache gewidmet ist. Jetzt war das Interesse endgültig geweckt.
In der Bibliothek der Freien Universität von Berlin las ich
alles, was mit der prußischen Sprache zu tun hat: Trautmann,
Bernecker, Gerullis usw. Und bald erwachte in mir der Wunsch,
mich in der alten Sprache der Vorfahren auszudrücken. Da
viele Begriffe fehlen, nahm ich, wenn es nicht möglich war,
durch Ableitungen von prußischem Wortgut auf neue, notwendige
Begriffe zu kommen, ostpreußische Provinzialismen, die sicher
vielfach auf Prußisches zurückgehen, litauische, kurische,
lettische und auch masurische und deutsche Wörter zur Hilfe.
So entstand das Wörterbuch. Seit mehr als zehn Jahren in
Pension hatte und habe ich genügend Zeit zum Studium, zum
Übersetzen fremder und zur Erstellung eigener Texte.
Bei meiner Arbeit stehe ich in Verbindung mit baltischen Linguisten,
denen ich zu Dank verpflichtet bin.
Berlin, im Januar 1994
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