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Ostpreussen
 
Ortschaften des Landes  
   
   
   
   
   
   
   
   

Die wichtigsten Ortschaften des Landes

(Quelle: Der Text wurde dem Buch von Robert Budzinski „Entdeckung Ostpreussens“, Verlag Carl Reissner, Dresden 1940 entnommen.)

 

Anmerkung prūsai: Bei dem Buch handelt es sich um ein so genanntes Provenienzexemplar, das im Inneren des Buchdeckels folgende handschriftliche Eintragung trägt: „Am 15. IV. 1945 aus dem Herrschaftshaus der „Domäne Fischhausen“ (auf der Flucht vor dem Iwan) gerettet. Heinz F. Ballauff.“

Die Bewohner Ostpreußens leben in Städten und Dörfern. Die erste Stadt, die man betritt, wenn man aus der Kulturwelt kommt, heißt Marienburg. Hier ist ein altes Schloß, aber neu auflackiert. Früher war es das berühmteste Ordensschloß, es herrschten da die Ordenshochmeister, jetzt herrscht dort der Oberbaurat Dr. h. c. Schmied.

Im Innern des Schlosses ist  besonders schön zu sehen die Ritterküche mit dem Eber, der am Spieß schmort über dem ewigen Feuer, das nicht erlöschen kann, weil es wie der Eber aus bestem Gips ist.

Ähnliche hübsche Überraschungen verbergen sich noch häufig in den Sälen, Kemenaten, Remtern des Baues.

Die Hauptstadt des Landes aber ist Königsberg am Pregel, die Stadt der reinen Vernunft. Das kann man am besten beobachten auf dem sogenannten Paradeplatz oder Königsgarten. Kommt man vom Bahnhof in die Nähe des Schlosses, so steht da ein riesengroßer Polizist und hält den einen Arm mit dem Signal hoch, so daß man stehen bleiben muß. Es ist aber nur der alte Kaiser Wilhelm bei der Krönung, und Bismarck steht etwas abseits und sieht zu, ob er es auch richtig macht. Nicht weit davon sind die beiden größten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Fischweiber und das Blutgericht. Die  Fischweiber sind nicht etwa Wesen in der lustigen Art der schönen Lau, der schönen Magelone, sondern sehr gediegen und wiegen nicht unter zwei Zentnern. Sie sitzen seit Jahrhunderten hier an der grünen Brücke, zu allen Tages- und Jahreszeiten. Oberbürgermeister kommen und gehen, sie sitzen, Staatsformen treten auf und verschwinden, sie sitzen, die Menschen beten katholisch, sie sitzen, sie beten evangelisch, sie sitzen noch immer, die Menschen beten überhaupt nicht, aber die Fischweiber werden auch dann noch sitzen. Ihre Sprache ist ewig. Wenn schon längst alle Welt vielleicht Esperanto sprechen wird, werden diese Nornen ihr angeborenes uraltes Königsbergsches sprechen. Sonst aber verkaufen sie Flundern, Hechte, Stinte, Bücklinge und Räucherheringe.

Das Blutgericht ist ein Weinlokal im Schloßhof. Früher war es das hochnotpeinliche Gericht, das manchen den Kopf absprach, weshalb auch jetzt noch manch einer die dunklen Gemächer kopflos verlassen muß. Aber vielleicht ist es gut, von Zeit zu Zeit einmal von seinem Kopfe befreit zu werden, sieht man doch allerorten, wie wenig notwendig er im Grunde genommen doch ist.

Andere Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt sind: Der Schloßteich mit Brücke und Schwänen, der Richtblock mit echtem Blut im Prussiamuseum, der Samlandbahnhof am Sommersonntagsmorgen, die Kunsthandlungen Riesenau & Einthaler und Teichert mit Schreckenskammern, der neue Haupfbahnhof, der im Jahre 2007 nach Chr. G. fertig wird, die Alkoholströme auf dem Messegelände zur Zeit der Herbstmesse, das Publikum beim Pferderennen in Karolinenhof, die Angler am Oberteich, das Gedränge in den Kunstausstellungen der Kunsthalle, die Gesichter der Zuschauer in den Kinos, der Hammerkrug mit der Kunstakademie, das Universitätsgebäude auf dem Paradeplatz mit seinem berühmten Strahlenkranz honoraris causa, ihr gegenüber die Buchhandlung Gräfe & Unzer, die vornehmste unseres Planetensystems. Die Stadt hat ungefähr 280.000 lebende und sehr viel mehr tote Einwohner, die lebendigsten sind E.T.A. Hoffmann und Kant.

Die Hauptstadt des Südens und zugleich Rivalin Königsbergs ist Allenstein. Zwar hat Königsberg seinen Kant, aber Allenstein hat seinen Worgitzky, dazu noch einen hochberühmten Mord und ein prächtiges Theater. Und in absehbarer Zeit wird es auch als Hauptstadt die Stelle Königsbergs einnehmen, wenn dieses nämlich die Fluten der Ostsee begraben haben werden. Vorläufig bereitet es sich auf diese zukünftige Bestimmung auf jede Weise vor. Die Hotels haben schon lange angefangen, sich großstädtischen Verhältnissen anzupassen, vollständig gelungen ist es ihnen allerdings nur bei den Zimmerpreisen. Die Umgebung der Stadt ist sehr schön, der hervorragendste Punkt am Lanskersee heißt Präsidentenhöhe. Aus diesem Namen ist zu ersehen wie weit die Demokratisierung des Landes schon vorgeschritten ist. Hier in dieser Gegend fängt sie auf dem Lande zuerst an.

Andere Städte sind Elbing mit Schichau, Kommik und Englisch-Brunnen, Nikolaiken mit Maränen, Mohrungen mit Herder, Marienwerder mit einer nicht restaurierten Ordensburg, Frauenburg mit Kopernikus, Dom und Haff, Zinten mit dem Beinamen „Das Ausland“, Domnau mit vielen lieblichen Sagen, Angerburg, Gerdauen und Fischhausen mit sozialdemokratischen Landräten, Mühlhausen mit einem angebundenen Krebs im Mühlenteich, Marggrabowa mit dem größten Marktplatz des Weltalls, Neidenburg mit Gregorovius aus Rom und Restaurationen, die sich über die halbe Stadt erstrecken, ebensolche finden sich auch in Ortelsburg, Passenheim mit der schönsten Umgebung ganz Europas, Labiau, Tapiau und WehIau am Ende mit au. In Rastenburg lebte ein Erfinder des Skatspiels, in Bartenstein und in Tilsit sind die beiden anderen geboren und in Heiligenbeil gestorben, in Braunsberg aber beerdigt, in Tharau lebte die ostpreußische Nationalheilige „Ännchen von Tharau", in Insterburg der Klempnermeister Kadereit.

Bei  meinen Wanderungen stieß ich wiederholt auf Ortschaften mit nicht sehr bekannten, aber desto klangvolleren Namen, so dass ich oft glaubte, mich in einer verzauberten Landschaft umherzutreiben. So fuhr ich einmal mit der Bahn von Groß-Aschnaggern über Liegetrocken, Willpischen, Pusperschkallen nach Katrinigkeiten, frühstückte in Karkeln, kam über Pissanitzen, Perkuiken, Juckenischken, Kuhdiebs nach Katzenduden, aß in Aschlacken Mittag, verirrte mich dann in Pudelkeim, Pupinnen, Bammeln, Babbeln und abendbrotete in Pschintschiskowsken, übernachten wollte ich in Kartzanupchen, wo ich entdeckte, daß ich infolge der vielen mir vorgekommenen merkwürdigen Namen meinen eigenen Vatersnamen ganz vergessen hatte, was den Wirt in Kartzanupchen mit Namen Struntzkeitzki veranlasste, mich fortzuweisen; so ging ich über Strontzken, Grondzken und Dumbeln nach Bumbeln und Budschißken, wo mir mein Name infolge der Klangähnlichkeit wieder einfiel, so daß ich in dem benachbarten Kakschen beim Gastwirt Kaschemecker anstandslos übernachten konnte. Am nächsten Morgen nahm mich ein Fuhrwerk aus Gartenpungel mit. Als ich den Besitzer fragte, von wo er her wäre, sagte er nur Prosit, hatte aber keine Flasche bei sich. Auf meine weitere Frage, wohin er fahre, meinte er Prostken, was mich veranlasste, ihn zu einem Schnaps einzuladen. Erst später erfuhr ich, dass die beiden Namen nicht ein Wink mit dem Zaunpfahl, sondern höchst anständige Ortsnamen waren. An dem folgenden Tage lernte ich noch kennen: Plampert, Purtzunsken, Kotzlauken, Mierunsken, Spirokeln, Wannagpuchen, Meschkruppchen, Salvarschienen, hörte noch von Spucken, Maulen, Puspern, Plumpern, Schabbeln, Wabbeln, wurde ohnmächtig und erwachte in Mierodunsken, wo mich der Landjäger von Uschpiauschken hingebracht hatte. Es dauerte lange, bis ich meine Sprache beherrschte, denn meine Zunge drehte sich mir fortgesetzt im Leibe um, so dass ich auf die Frage des Mannes, wohin ich wolle, sagte: Göbisknerg-Kösichgers-Knösiggerb-Königsberg. Der Beamte meinte: über Mischmiautsken oder Kampinischken, was mich so ärgerte, dass ich ihn mit „Dammelskopp“ anschrie. „Das liegt auf der anderen Strecke“, sagte er entgegenkommend. So gelangte ich denn über mehrere -ischken, -unsken, -schkallen und -scheiten nach Königsberg. Ein Blick in den Eisenbahnfahrplan überzeugte mich, dass ich nicht geträumt hatte.

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© prūsai
2 September, 2007

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